Kurz sind die Tage, vierundzwanzig Stunden hat der Herrgott uns zur Verfügung gestellt und allzu schnell sind se um. Am schlimmsten versaut sie die Arbeit, das beste Wetter verpaßt man, über den Schreibtisch gebeugt, die Zunge angestrengt im Mundwinkel geparkt bei schlechtem Licht knifflige Aufgaben lösend und sich dabei die Augen verderbend. Drohte den ganzen Sommer lang der Regen durch die grauen Wolken, erfinden jetzt die Wetterfuzzis schlechte Vorhersagen und zu aller Erstaunen wird der ganze Tag wunderschön. Geunkt wird vom Herbst und der Tau legt sich auf die Wiesen, frisch ist der Abend und verlassen die Bergärten. Wir warten, daß die Mücken auch kapieren, daß ihre Zeit zuende geht.
Seit in den fünfziger Jahren der Damm vom Festland gebaut wurde, gelangt man sehr einfach mit Zug oder Bus - natürlich auch mit dem Auto - in die Lagunenstadt. Am Busbahnhof muß ich mich entscheiden: will ich die Stadt zu Fuß durchqueren oder mit der Fähre direkt an die Motive schippern? Diesmal nehme ich das Pendant der Berliner Buslinie einhundert, Linie eins. Das ist die Bummelfähre, die auf dem Canale Grande von der Piazzale Roma beim Busbahnhof bis zur Insel Lido fährt. Vorbei an den alten Palästen, die dem großen Kanal angeblich ihre schönste Seite zuwenden, schippert das Boot durch die Rialto-Brücke, an der Kirche Santa Maria della Salute vorbei, deren Kuppel gerade von einem Netz von Gerüststangen überzogen ist, zum Markusplatz, wo ich wegen des schönen Wetters aussteige und ein paar Knipser mache. Was so toll daran ist, sich von den Ratten der Lüfte besteigen zu lassen, wird mir nicht klar, aber es scheint für den ordentlichen Touristen neben der Fahrt in einer Gondel ein wichtiger Teil der Venedigreise zu sein.
Ich warte auf dem schwankenden Ponton, der Bushaltestelle, auf die nächste Fähre, um mich zur Insel Lido fahren zu lassen. Dieser lange Landstreifen ist eine Barriere für die inneren Inseln zur Adria und der Strand Venedigs. Hier stehen vor den Luxusherbergen wie dem Excelsior oder dem Hotel des Bains die kleinen Strandhäuschen, von denen man entspannt auf das Meer schauen kann.
Ich lasse etwas Sonne an meinen Oberkörper und die Brille flutscht unbemerkt aus der Hemdtasche - mein Tribut an die Lagunenstadt. Nach ergebnisloser Suche im Sand fahre ich auf derselben Strecke zurück, es wartet noch die Arbeit auf mich.
Der Name der Stadt läßt Romantikerherzen höher schlagen und die Kassen klingeln, vierzich Minuten Herumgondeln sollen derzeit fünfundsiebzig Euro kosten, da nehmen auch Einheimische lieber den Wasserbus. Dank einer neuartigen Weichware ist besonders aus dunklen Fotomotiven Erstaunliches herauszuholen, wie die Diaschau zeigt. Tip: rechter Mausklick, Go Full Screen, das macht das Erlebnis noch erlebnissiger.
...und hier geht's weiter in die Vergangenheit.